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        an  Felsen  in  der  Umgebung  erinnern  soll.  In  diesem   Stilgefühl erkennen zu lassen. Dekontruktionistische
        Glas- und Eisengebirge, das neben den angrenzenden     Gebilde, biomorphe Formen und variantenreiche weiße
        Fabrikhallen erbaut wird,  entsteht ein Kulturzentrum   Kuben (white collar architecture) sind fortan Teile des
        mit Räumen für Stadtteilmuseen, Ateliers, Werkstätten   bunten architektonischen Baukastens, wenn es um die
        und für andere künstlerische Aufgaben; ein moderner    Sanierung oder den Neubau der Stadtviertel und ihrer
        „Think Tank“ mit sozialer und ökologischer Ausrichtung.   Museen  geht.  Alt  steht  neben  neu,  neu  auf  alt.  Die
        Ob  der  Ideenreichtum  des   Museumsbaumeisters       damit  verbundene  Wertschätzung  des  Vergangenen
        Gehry bisweilen nicht zu weit geht, zeigt sein Vorschlag   dient indirekt auch  der  modernen  Baukunst,  die  fast
        am  „Regent‘s  Canal“  in  London.  Den  viktorianischen   immer erfolgreich aus dem Vergangenen schöpfte.
        Gasbehälter will er entkernen, um sein hohes Skelett
        als  Parkskulptur  oder   neu  eingerichteten  Pavillon  zu   In der  globalisierten  Welt ist deswegen  bald alles
        nutzen. Über seine Funktion im alten Fabrikviertel ist   nahezu  überall  möglich,  ohne  jedoch  auf  den  spe-
        man  sich  interessanterweise  noch  im  Unklaren,  d.h.   zifischen  Charakter  des  Ortes  Rücksicht  zu  nehmen.
        hier  wird  ohne  drängenden    Bedarf  umgebaut.  Zur   Um dies zu erreichen, bedarf es weiterer Erfahrungen
        Diskussion stehen ein Industriemuseum  mit einem       und vor allem Zeit. Bis dahin fährt das uniforme Mu-
        Theater oder ein multifunktionaler Spielplatz.         seumsauto auf allseits bekannten Wegen fast überall
                                                               hin und nimmt Viele und Vieles mit, weil sich die Welt
        Da  viele  Eigentümer  immer  noch  ihre  Denkmäler    immer  mehr  in  ein  großes  Dorf  verwandelt,  das  die
        trotz gelungener  Vorbilder  für  Zwecktransformation   Menschen zu kennen glauben. Daß dieses Dorf unter
        abreißen, werden Zeitzeugen der früheren industriellen  dem bedenklichen und autoritären Diktat des Vergleichs
        Revolutionen   immer    seltener   (die   erhaltenen   lebt und seine Authentizität allmählich verliert, ist nur
        gebliebenen  sind  nicht  immer  die  bedeutsamsten).   wenigen  bewußt.  Diese  mit  dem  Internet  möglichen
        Umso stärker muß der Innovationswille von Architekten   Vergleiche führen ferner dazu, Vieles immer ähnlicher
        und  Stadtplanern  sein,  Industriedenkmale  zu  retten.   zu  machen  oder  äußerlich  verwandt  erscheinen  zu
        Allerorten  aufkeimende  Crossover-Ideen  sind  eine   lassen. Die international gebräuchlichen Stile der Mu-
        sinnvolle  Lösung  für  die  Konversion  dieser  sonst   seen sind demnach als neuer globaler Historismus zu
        kaum  verwendbaren  Bauten.  Auch  Museen  und         betrachten, der dem vergangenen „Welt-Historismus“
        andere  kulturelle  Institutionen  sollten  essentieller   im 19. Jh. gleicht, dessen Vorbilder viele Architekten
        und  integraler  Teil dieser  Ideen  sein,  da  es hier  um   schon damals in den bekannten Musterbüchern,
        die notwendige humane Neuordnung ganzer Stadtteile     Messen und frühen Fotografien fanden.
        geht.  Neben  den  bereits  vollendeten  Umwandlungen
        industrieller  Zonen,  wie  der  Prada-  und  Armani-Stif-  Ein  Museum  Calatravas  könnte  sich,  unabhängig  von
        tungen in Mailand, entwickeln renommierte Architekten   den  Nachbargebäuden,  vermutlich  überall  breit  ma-
        und Landschaftsplaner in New York und in London ein-   chen, ohne Rücksicht auf den Ort oder die Region zu
        zigartige Ideen,  verfallende Quartiere zu überplanen.   nehmen.  Die  verschieden  kombinierbaren  Varianten
        Auch die Architekten von Coop Himmelblau aus Wien      moderner Museen, ob Dekontruktionismus oder der
        lieferten Beispiele, alte Industriegebäude zu beleben.   radikalere  Stil  Peter  Eisenmans,  wirken  dadurch
        Paradebeispiel  ist  der  1896  erbaute  Gasometer  in   beliebig und austauschbarer als traditionelle Gebäude.
        Wien,  bei dem noch  andere  Architekten,  wie  Jean   Dahinter steckt seine provozierende Aussage, daß er
        Nouvel, mitwirkten. Leider wurden hier im Auftrag der   seine Werke eigentlich als „Kartongebäude“ (Wegwerf-
        Bauherren  zuviele  Nutzungen  zusammengewürfelt.      gebäude)  versteht  und  er  sie  eigentlich  besser  nicht
        Besser wäre es gewesen, in einem der vier Gasbehälter   bauen sollte. Dadurch, daß er nicht nur seine Entwürfe,
        wenigstens  ein  großes  Museum  mit  einem  Kon-      sondern auch vorhandene Städte als Wegwerfkartons
        zertbereich  einzurichten  und  das  Umfeld  weitgehend   definiert, bereitet er den Weg für eine „Mentalität der
        leer  zu  lassen,  um  größere  Parks  zu  ermöglichen.   Abrißbirne“ und der Endlichkeit von baulichen Lösun-
        Im Gasometer wäre Raum für eine vielbenötigte De-      gen. Eisenmans Vergangenheit und sein Berliner Mo-
        pendence des Wiener Technikmuseums gewesen, oder       nument sind Hinweise auf diese ungewohnt ehrliche
        für  einen  Sonderausstellungsraum  für  all  die  vielen   Philosophie.  Mit  ihr  gibt  der  bekannte  Architek-
        Wiener  Spezialmuseen  ‒  vom  Fiakermuseum  bis  hin   turtheoretiker  ein  Hilfsmittel,  um  Museen  und  deren
        zum Dritten-Mann-Museum: ein buntes und lebendiges     Inhalt  anders,  vielleicht  auch  besser  zu  verstehen:
        „Nette  Leit”-Museum,  daẞ  das  alte  Denkmal  mit    „Memento  mori“ und „Vanitas“ contra modernen und
        Wechselausstellungen aller Wiener Stadtviertel skurril   sinnentleerten Ewigkeitsanspruch.
        belebt hätte.
                                                               „Zukunftswirklicher“  erscheint  demgegenüber  der
        Der heimatlose architektonische                        traditionelle, heute leider durch Computerprogramme
        Baukasten                                              stark  vereinfachte  Bauhausstil,  dem  die  Eleganz  des
                                                               eigentlichen  Bauhauses  fehlt  („squareboy  architec-
                                                               ture“). Doch Koryphäen wie Richard Meier wahren das
        Bei zahlreichen Museumsbauten sind seit geraumer
        Zeit  Einflüsse  der  Automobil-  und  Flugzeugindustrie   Harmoniegefühl des Bauhauses und Le Corbusiers.
        erkennbar.   Vielfältige   Formen   und   modernste    Die  ruhige  weiße  Farbgestaltung  nimmt  Bezug  zu
        Materialien bilden dabei die Variablen der sich nahezu   dem  klar  umschriebenen  Baukörper.  Meier  betont
        an  jede  Mode  anpassenden  „Karosserien“  bzw.  der   die  ausgewogene  Singularität  seiner  Museumsbauten
        Hüllen der Sammlungen. Sie ergänzen oder ersetzen      in den unruhig wirkenden Stadtbildern, die viel mehr
        teilweise ältere Bautraditionen, ohne schon ein sicheres   einen  Gegenpol  darstellen  als  die  opportunistischen
                                                               Versuche  der  sog.  Avantgarde-Architektur.  Deren


                                           MUSEUM  AKTUELL 243 | 2017
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