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wie in vergleichbaren Städten zweifelsohne darauf Museums in London, die das Architekturbüro „AL_A“
hin, daß sich Museen und kulturelle Institutionen wie übernahm. Einige das Museum von der Straße trennende
Theater und Kinos näher kommen; mit Auswirkungen Mauern und andere Hindernisse wurden entfernt, um
auf ihre Funktionen und vor allem auf die Architektur. interessante Durchblicke und größere Innenhöfe zu
erhalten. Diese unkonventionellen Maßnahmen sorgten
Im Gegensatz zu „Kings Cross“ erinnert der Entwurf dafür, daß das beliebte historische Museum sich zum
des Spaniers Santiago Calatrava für den Stadtteil lebendigen Mittelpunkt, zur Agora des gesamten
Greenwich an Architektur-Utopien. Greenwich erhält Stadtviertels, nicht nur für seine Besucher, entwickelt.
nun eine Architektonik, die an das ehemalige flußnahe
Leben anknüpft. An der Themse entstehen neben In der Hafenstadt Brighton ersetzt die britische
den gestaffelten und geschwungenen Wohntürmen Architektengruppe „shedkm“ der Architektin Hazel
Galerien, Ateliers und Raum für zukünftige Museen. Rounding die überalterten Märkte durch neue Bauten,
Das mondäne Viertel flankiert eine Skulpturen-Allee, die bewußt in die Nachbarschaft hineinragen, um beide
die den dazugehörigen Park umrahmt. Die von Innen miteinander zu verbinden. Im Grunde genommen han-
beleuchteten Röhrenbrücken, die auf die andere Seite delt es sich weniger um die Sanierung eines Industrie-
der Themse führen, sehen aus wie in sich gedrehte und Marktquartiers, als um die völlige Umgestaltung
Kunstobjekte. Calatrava definiert seine Arbeit als „Orte eines Viertels. Konsequenterweise widmen sich die
für Kunst und Technik“, sie gleichen aber eher dessen Architekten auch den kulturellen Bauten, der städte-
Wirklichkeit gewordenen surrealen Visionen. baulichen Einbindung der Universität sowie der Museen
und nennen sie bezeichnenderweise „cultural hub“.
Größere Skulpturen oder skulpturenähnliche Objekte
gehören wie früher wieder zu einer erfolgreichen Auf dem Platz vor der mittelalterlichen Kathedrale von
Stadtplanung. Ohne sie fehlt ein bedeutendes Bin- Hull, “The city of culture“, in Nordost-England ragen
deglied in der Struktur jeder Kommune. Umso na- 16 von innen beleuchtete Stahlsäulen des Schweizer
heliegender wäre es, die Plätze vor den Museen mit Künstlers Felice Varini in die Höhe und verleihen dem
Skulpturen und vielleicht auch den beliebten Brunnen Raum eine erhabene Würde. Mit diesem Kunstgriff
zu beleben, was trotz einiger positiven Beispiele nicht bildet sich eine neue Aura, von der auch die nahen
immer gelingt. Andererseits gleichen zahlreiche Mu- Museen profitieren. In Amsterdam war die mehrfach
seumsbauten selbst schon übergroßen Skulpturen und umgestaltete, zwischen den älteren Museen liegende
stehen zudem in Brunnen ähnlichen Trögen, an Flüssen „Piazza“ schon immer ein beliebter Treffpunkt.
oder gleicht im Meer.
Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es in der
Auch Museumserweiterungen gelingen nicht immer, Zukunft sein wird, Museen aus ihrer städtebaulichen
weil die Auftraggeber das Museum nicht als Teil Isolation zu befreien und gerade ihren Außenraum
eines übergeordneten Systems, der Stadt begreifen, attraktiver zu gestalten. Die großen Museumstore
sondern als einen Solitärdiamanten. Erstaunlich dürfen nicht länger die Grenze des Museums sein.
und ungewöhnlich ist in diesem Zusammenhang die In Perth, Schottland, verdanken ein Museum und ein
Renovierung und Erweiterung des Viktoria & Albert Kulturzentrum dem Neubau des Rathauses ihre neue
Das Oceaneum am Hafen von Stralsund wurde im Juli 2008 eröffnet. Architekt: Benisch
Foto: Johannes-Maria Schlorke / OZEANEUM Stralsund
MUSEUM AKTUELL 243 | 2017

