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Sonderteil zur EXPONATEC
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        Daß sich der Verlag entschlossen hat, die nahezu 30 Seiten   ist. Also muß unbedingt reflektiert werden, ob die Methode
        umfassenden englischen Abstracts kostenlos im Internet zur   oder das Mittel nicht doch das Objekt schädigen. Mit dieser
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        Verfügung  zu  stellen,   versteht  sich  als Anregung  zu  einer   Publikation werden deswegen ungeeignete, unspezifisch und
        englischen  Lizenzausgabe,  die  dringend  notwendig  wäre,   zu stark wirkende oberflächenaktive Substanzen warnend be-
        denn  gerade  im  global  maßgeblichen  englischsprachigen   nannt, die hier und da immer noch zum Einsatz kommen. Das
        Raum  blieben  die  Erkenntnisse  der  deutschsprachigen  Re-  sind  vor  allem  neue  und  angeblich  „bewährte  Rezepte“,  an
        staurierungswissenschaft bislang annähernd unbekannt. Dort   denen vielleicht noch aus Gewohnheit festgehalten wird, weil
        orientierte man sich bislang an den Veröffentlichungen von   sie aus einer Zeit stammen, in der sie gar nicht auf auf ihre
        Wolbers.                                               schädlichen Auswirkungen hin, sondern lediglich auf ihre Wirk-
                                                               samkeit  hinsichtlich  des  vordergründigen  Zwecks  untersucht
        Das nun vorliegende fast 1000 Seiten starke Kompedium mit   wurden. Vermittelt über unkritische Lehrende oder unkritisch
        aufschlußreichen Vierfarb-Tafelteilen und mehr als 1200 (sorg-  rezipierte Literatur wirken aber solche früheren Empfehlungen
        fältig farbkorrigierten) Abbildungen enthält neben der aktua-  noch bis in die Gegenwart fort und paaren sich mit falschem
        lisierenden Überarbeitung bisheriger Artikel einige neue Ka-  Stolz,  der  beansprucht,  jahrhundertealte  Reinigungsgeheim-
        pitel, etwa zum Staub, zur Reinigung bei Schädlingbefall und   nisse zu kennen. Noch 2012/13 durfte eine Absolventin an der
        zur Reinigung als präventiver Konservierung. Diese 5. und 6.   Wiener Akademie der bildenden Künste, Institut für Konser-
        Auflage deckt nun fast alle gängigen Materialien und deren   vierung-Restaurierung, ihr fraglies Waldmüller-Untersuchungs-
        Oberflächenreinigung  ab:  Neu  sind  etliche  Anwendungsge-  objekt des Wien Museums mit eigenem Speichel reinigen.  4
        biete wie Möbel und Kunststoffe, Fotografien und Mosaiken,
        seltene Materialien und Techniken wie Urushi-Lacke, Federn,   Die  Verpflichtung  des  modernen  Konservators-Restaurators
        Kork,  Wachs,  bemalte  Metalle,  Stroh,  Bernstein,  Latex  und   besteht darin, fremd- und eigenverursachte Schäden vom Ob-
        Hartgummi. Besonders wichtig erscheint der Appendix II des 2.   jekt  abzuwenden.  Aus  diesem  Grund  fordert  Paul-Bernhard
        Bandes, der die bislang verstreuten Warnungen des Herausge-  Eipper seit längerem, alle heftigen Methoden und Uralttricks
        bers nochmals belegt und eindringlich auf den Punkt bringt.  wie  Brot  und  Speichel,  Geheimmischungen,  Haushaltsmittel
                                                               und Kosmetika in der konservativen Oberflächenreinigung kon-
        Der Herausgeber zieht aus dem Gang der Restaurierungswissen-  sequent auszuschließen und empfiehlt stattdessen vom Grund-
        schaften die Konsequenz, daß jede Maßnahme am Objekt ‒ und   satz her eine flexible, abgestufte und sehr vorsichtige, nahezu
        sei es auch „nur“ eine Oberflächenreinigung ‒ lediglich eine   homöopathische  Herangehensweise.  Das  bedeutet  jedoch  in
        von mehreren Maßnahmen in der Geschichte eines Objektes   der Praxis nicht, daß das Reinigen hierdurch verlangsamt wird
















































        Zwei Seitenbeispiele des zweibändigen „Handbuchs der Oberflächenreinigung“ in starker Verkleinerung


                                           MUSEUM  AKTUELL 243 | 2017
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