Page 40 - MA243
P. 40
Sonderteil zur EXPONATEC
40
Daß sich der Verlag entschlossen hat, die nahezu 30 Seiten ist. Also muß unbedingt reflektiert werden, ob die Methode
umfassenden englischen Abstracts kostenlos im Internet zur oder das Mittel nicht doch das Objekt schädigen. Mit dieser
3
Verfügung zu stellen, versteht sich als Anregung zu einer Publikation werden deswegen ungeeignete, unspezifisch und
englischen Lizenzausgabe, die dringend notwendig wäre, zu stark wirkende oberflächenaktive Substanzen warnend be-
denn gerade im global maßgeblichen englischsprachigen nannt, die hier und da immer noch zum Einsatz kommen. Das
Raum blieben die Erkenntnisse der deutschsprachigen Re- sind vor allem neue und angeblich „bewährte Rezepte“, an
staurierungswissenschaft bislang annähernd unbekannt. Dort denen vielleicht noch aus Gewohnheit festgehalten wird, weil
orientierte man sich bislang an den Veröffentlichungen von sie aus einer Zeit stammen, in der sie gar nicht auf auf ihre
Wolbers. schädlichen Auswirkungen hin, sondern lediglich auf ihre Wirk-
samkeit hinsichtlich des vordergründigen Zwecks untersucht
Das nun vorliegende fast 1000 Seiten starke Kompedium mit wurden. Vermittelt über unkritische Lehrende oder unkritisch
aufschlußreichen Vierfarb-Tafelteilen und mehr als 1200 (sorg- rezipierte Literatur wirken aber solche früheren Empfehlungen
fältig farbkorrigierten) Abbildungen enthält neben der aktua- noch bis in die Gegenwart fort und paaren sich mit falschem
lisierenden Überarbeitung bisheriger Artikel einige neue Ka- Stolz, der beansprucht, jahrhundertealte Reinigungsgeheim-
pitel, etwa zum Staub, zur Reinigung bei Schädlingbefall und nisse zu kennen. Noch 2012/13 durfte eine Absolventin an der
zur Reinigung als präventiver Konservierung. Diese 5. und 6. Wiener Akademie der bildenden Künste, Institut für Konser-
Auflage deckt nun fast alle gängigen Materialien und deren vierung-Restaurierung, ihr fraglies Waldmüller-Untersuchungs-
Oberflächenreinigung ab: Neu sind etliche Anwendungsge- objekt des Wien Museums mit eigenem Speichel reinigen. 4
biete wie Möbel und Kunststoffe, Fotografien und Mosaiken,
seltene Materialien und Techniken wie Urushi-Lacke, Federn, Die Verpflichtung des modernen Konservators-Restaurators
Kork, Wachs, bemalte Metalle, Stroh, Bernstein, Latex und besteht darin, fremd- und eigenverursachte Schäden vom Ob-
Hartgummi. Besonders wichtig erscheint der Appendix II des 2. jekt abzuwenden. Aus diesem Grund fordert Paul-Bernhard
Bandes, der die bislang verstreuten Warnungen des Herausge- Eipper seit längerem, alle heftigen Methoden und Uralttricks
bers nochmals belegt und eindringlich auf den Punkt bringt. wie Brot und Speichel, Geheimmischungen, Haushaltsmittel
und Kosmetika in der konservativen Oberflächenreinigung kon-
Der Herausgeber zieht aus dem Gang der Restaurierungswissen- sequent auszuschließen und empfiehlt stattdessen vom Grund-
schaften die Konsequenz, daß jede Maßnahme am Objekt ‒ und satz her eine flexible, abgestufte und sehr vorsichtige, nahezu
sei es auch „nur“ eine Oberflächenreinigung ‒ lediglich eine homöopathische Herangehensweise. Das bedeutet jedoch in
von mehreren Maßnahmen in der Geschichte eines Objektes der Praxis nicht, daß das Reinigen hierdurch verlangsamt wird
Zwei Seitenbeispiele des zweibändigen „Handbuchs der Oberflächenreinigung“ in starker Verkleinerung
MUSEUM AKTUELL 243 | 2017

